Aufgeworfene Erde
Tony Cragg: „Stack“, Kurpark Aue-Bad Schlema

Künstler: Tony Cragg, „Stack“ (2019)
Ort: Kurpark Aue-Bad Schlema
Material: Bronze patiniert
Größe: 380 x 263 x 202 cm
Galerie: Galerie Buchmann, Berlin/Lugano
Erworben mit Mitteln von: NAME INSTITUTION
Sponsoren: NAME FIRMA, NAME FIRMA
Die patinierte Bronze der abstrakten Skulptur Stack des 1949 in Liverpool/GB geborenen und in Wuppertal lebenden Bildhauers Tony Cragg erinnert an Naturphänomene wie verwitterte Felsen, verschliffenes Holz oder vulkanische Rauchsäulen. Ihre übereinander geschichteten geometrischen Körper und Formen, die wiederholt, gedreht und zu dynamischen Strukturen erweitert sind, rufen aber auch Vorstellungen von geologischen Modellen, digitalen Datenvisualisierungen oder Bildwiedergaben eines Rasterelektronenmikroskops auf.
Die ikonischen Stacks (Stapel), die Cragg seit den 1970er Jahren in seinem Werk immer wieder modifiziert, haben ihren künstlerischen Ursprung in geometrisch gestapelten Hinterlassenschaften der Industriegesellschaft, die „Schlüssel zu einer vergangenen Zeit sind, die unsere Gegenwart ist“, (Tony Cragg, 1987). Die Skulpturen des Turner-Preisträgers und mehrfachen documenta-Teilnehmers evozieren einen Zustand zwischen Natur und Künstlichkeit in einer Welt von „Halbfabrikaten“ (Vilém Flusser).
Platziert im nach 1990 rekonstruierten Kurpark Bad Schlema steht die 2019 datierte Skulptur Stack in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Wismut-Schacht 7b, aus dem seit 1947 in einer Tiefe von bis zu 278 Metern Uranerz gefördert wurde. Die sowjetisch-deutsche Wismut AG gewann im Erzgebirge und in Thüringen rund 60 % ihres Bedarfs an Uranerz für ihre Bombenproduktion und Atomkraftwerke wie Tschernobyl und zerstörte in Bad Schlema selbst Kurhäuser, Dörfer und Natur.
So erinnert Craggs Stack auch daran und lässt gleichzeitig an die Darstellung der Erdschichtung des im 16. Jahrhundert von Hans Hesse geschaffenen Annaberger Bergaltars denken.
(Autoren: Alexander Ochs / Ulrike Pennewitz = Dieser Zusatz wird später gelöscht und an anderer Stelle platziert.)
Der Künstler: Tony Cragg
Mit Tony Cragg zieht ein weltweit renommierter Künstler in den Skulpturenparcours des PURPLE PATH ein. Er wurde bereits als junger Künstler sehr früh zu großen Ausstellungen wie der documenta 7 und 8, zur Biennale di Venezia, der Bienal de São Paulo oder der Biennale of Sydney eingeladen. 2009-2013 war Tony Cragg Rektor der Kunstakademie Düsseldorf. Er ist Mitglied der Royal Academy in London und der Akademie der Künste in Berlin. Über 70 internationale Ausstellungen würdigten sein künstlerisches Schaffen.
Große internationale Aufmerksamkeit erlangte er mit dem Projekt „Skulpturenpark Waldfrieden“ in seiner Wahlheimat Wuppertal. Ein verwaistes Villengrundstück konzipierte er zum Ausstellungsareal um. Seit 2008 wächst stetig eine Skulpturensammlung mit Werken vieler namhafter Künstler der Moderne und Gegenwart. Seit 2022 ist Tony Cragg Vorsitzender des Künstlervereins Malkasten in Düsseldorf.
(Hinweis: Text wird noch von Alexander Ochs überarbeitet.)

Tony Craggs aktuelles Projekt: „Skulpturenpark Waldfrieden“ in Wuppertal
Alles kommt vom Berg her, oder: Woraus entsteht Kunst?
Die ökonomische, kulturelle wie spirituelle Definition des Erzgebirges zentrierte sich über Jahrhunderte in dem Satz: „Alles kommt vom Bergwerk her.“ Der PURPLE PATH transformiert dies in die Formulierung: Alles kommt vom Berg her.
Aus dem Berg kamen Silber, Zinn, Kobalt, Nickel, Kupfer, Blei, Eisen, Steinkohle, Kaolin und Uran. Unter Verwendung dieser Materialien sowie Holz und Licht entsteht die Kunst am PURPLE PATH.
Einzelne Standplätze und ihre künstlerischen Werke treten in eine Beziehung zu den Bestandteilen der UNESCO Welterbestätte Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří.

Haldenlandschaft in Schlema 1965
Geformt durch den Bergbau: Kulturlandschaft Montanregion Erzgebirge
Die Bergstadt Aue-Bad Schlema erlitt in seiner jüngeren Bergbau-Geschichte im 20. Jh. eine bis dahin in der Region nie gesehene Zerstörung. Dem Uranabbau durch die Wismut nach 1945 wurde das Kurparkgelände geopfert. Erst gegen Ende der 1990er Jahre wurden die Schächte verfüllt und die Landschaft revitalisiert.
Uran: Ein Metall schreibt Weltgeschichte im Kalten Krieg
Uran wurde weltweit zum ersten Mal im Erzgebirge entdeckt, gewonnen und verarbeitet, zunächst als Pigment für die Farbherstellung. Nach dem 2. Weltkrieg übertraf der Uranbergbau im Volumen alles, was das Erzgebirge bis dahin in seiner Montangeschichte erlebt hatte. Die Sowjetische AG Wismut förderte das Uranerz für den Bau von Atomwaffen und den Betrieb von Atomkraftwerken.
Erzbergbaulandschaften: Silber, Zinn, Kobalt, Uran, Eisen
Silber, Zinn, Kobalt, Uran und Eisen repräsentieren die fünf Erzbergbaulandschaften, welche das UNESCO Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří charakterisieren. Jede ermöglicht Gästen einen Einblick in Abbau und Verarbeitung in einzelnen Epochen und veranschaulicht die Bedeutung aus globaler Sicht.


Der neue Kurpark in Aue-Bad Schlema
UNESCO Welterbe: Rekultivierung weltweit beachtet
Nach 1990 wurden die Bergbaulandschaften dekontaminiert. Dieser Prozess gilt weltweit als Vorbild für erfolgreiche Sanierung. Ein Grund dafür, dass Aue-Bad Schlema seit 2019 ein Bestandteil des UNESCO Welterbes Montanregion Erzgebirge ist. Davon können sich Gäste auf dem Bergbau- und Sanierungs-Lehrpfad ein Bild machen (Start: Museum Uranbergbau).
Aufbauen, arbeiten, verwandeln: Der Kern der erzgebirgischen DNA
Die Innovationsfähigkeit ist eine typisch erzgebirgische Mentalität. Das sicherte das Überleben der Montan- und Metallkompetenz in vielen Transformationsprozessen bis heute. Betriebe hatten seit jeher einen starken Rückhalt bei den Mitarbeitern und bei den Städten. Hier lebte und lebt man vom Geben und Nehmen. Das Blaufarbenkonsortium, ein Zusammenschluss aller fünf Blaufarbenwerke im Erzgebirge (1694), war schon damals in dieser Hinsicht sehr fortschrittlich.
Es gab Arbeiterwohnungen und Schulen in der Nähe der Betriebe. Im Werk Niederpfannenstiel (heute Nickelhütte Aue) wurde 1717 die erste Betriebskrankenkasse Deutschlands gegründet. Die Knappschaftskassen im Bergbau gab es schon früher, aber dieses Modell auf einen Industriebetrieb zu übertragen, war damals eine neue Idee.
Das ist eine faszinierende Botschaft, die im UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří steckt: die fruchtbare Verbindung von technischem und sozialen Fortschritt. Ursprung der Geschichte des Kobaltwesens waren die reichen Vorkommen an Kobalt in den Erzschichten der Region um Aue, Schneeberg, Schwarzenberg, Annaberg-Buchholz und Zschopau.

In der Nickelhütte Aue, wo sich heute eines der innovativsten Hüttenwerke für Buntmetall-Recycling in Europa befindet, liegen die Wurzeln des berühmten Kobaltblau. 1635 wurde an diesem Standort das Hüttenwerk Niederpfannenstiel gegründet. Seitdem läuft der Hüttenbetrieb ohne Unterbrechung.
Die Bergstadt: Vom Bergbau zur Boomtown
Der Erfolg eines neuen Stadttyps im 15./16. Jh.
Der Bergbau löste einen enormen Besiedlungsprozess aus. Bis heute prägt er das Erscheinungsbild der Region. Zwischen 1460 und 1560 wurden 31 Städte gegründet bzw. zur freien Bergstadt ernannt, davon 16 auf sächsischer und 15 auf böhmischer Seite. Die größten Bergstädte entwickelten sich zu bedeutenden Wirtschafts-, Bildungs- und Kulturzentren.
Erstes „Berggeschrey“: Das Silber ruft nach Freiberg
Zweites „Bergeschrey“: Schneeberg und Annaberg-Buchholz
Renaissance: Marienberg – erste Idealstadt nördlich der Alpen

Beim Bau Marienbergs ab 1521 wurden erstmals nördlich der Alpen die Prinzipien der Renaissance für eine Idealstadt verwirklicht: quadratischer Zentralplatz sowie rechtwinklige Anordnung von Straßen und Häusern.
Annaberg-Buchholz: Aufgeworfene Erde
Der Bergaltar in St. Annen von Hans Hesse (1521/22)
Auf dem Bergaltar von St. Annen (geweiht 1519) in der Bergstadt Annaberg-Buchholz sehen Besucher*innen auf der Rückseite die älteste Kunstdarstellung des sächsischen Bergbaus aus der Reformationszeit. Das Gemälde schuf Hans Hesse. Es erzählt von der Auffindung des ersten Silbers und ist das Symbol für die Bergbaukultur schlechthin. Aber nicht nur, weil er die aufgeworfene Erde zeigt, die zum Sinnbild eines Zeitalters wurde.
Sondern auch, weil er ein einzigartiges Zeugnis der Sozialgeschichte und einer neuen Frömmigkeit ist: Der Altar wurde von Bergleuten in Auftrag gegeben, von Bergleuten selbst mit dem sog. „Wochenpfennig“ finanziert und für die Bergleute geschaffen.
Auf der Vorderseite zeigt der geschnitzte Bergaltar traditionelle Szenen aus dem Leben Marias. Er ist klappbar und zeigt Darstellungen entsprechend dem Kirchenjahr.

Kobalt – das Pigment für Blaufarben
Meissner Porzellan, Delfter Kacheln, Portugiesische Azulejos und Chartres-Blau
Meissner Porzellan und Delfter Kacheln kennt man heute noch als berühmte Traditionsprodukte mit Blaufarbenbemalung. Die Spuren des Kobaltblau aus dem Erzgebirge lassen sich in die ganze Welt verfolgen, wofür auch die Holländer mit ihrem Handelsimperium mitverantwortlich waren. Alte Handelskontrakte aus dem 17. Jh. finden sich in den Archiven gefunden. Das Blau der berühmten Azulejos (portugiesisch: Fliesen) an den Gebäuden in Lissabon färbt Kobaltblau aus dem Erzgebirge, was die Holländer lieferten.

Erstaunlich ist auch der Befund des französischen Chemikers Bernard Gratuze, der in den 1990er Jahren Kobaltblau aus den Revieren Schneeberg und Freiberg in Frankreich, sowohl in Keramik als auch Glas, nachgewiesen hat. Das magische Blau der Fensterbemalung aus dem 13.Jh. in der Kathedrale von Chartres, ebenfalls UNESCO-Welterbe, erzeugt das Kobaltmineral aus dem Erzgebirge. Samt Begleitmineralien hat es einen typischen chemischen Fingerabdruck.
